Bedrohlich, wie die Vertonung nahenden Unheils, klingen die ersten Takte von Arming Eritrea. Das Intro ist leise, verleitet dazu, die Anlage aufzudrehen. Wenn schließlich Andrew „Falco“ Falkous mit seiner unverkennbaren Stimme die Spannung auflöst, ist das der Auftakt zu einer guten halben Stunde, in denen Future of the Left musikalische und sprachliche Möglichkeiten ausloten.
Schon Mclusky, die Band, bei der Sänger und Gitarrist Falkous und Schlagzeuger Jack Egglestone bis 2005 spielten, machten außergewöhnliche Musik, Noise Rock oder Post-Hardcore werden oft als Genrebezeichnungen gewählt. Nach der Auflösung von Mclusky gründeten Falkous und Egglestone gemeinsam mit Kelson Mathias sowie Hywel Evans, der die Gruppe jedoch kurz darauf wieder verließ, Future of the Left. Begleitet von mehreren Besetzungswechseln ist die Band seitdem sehr produktiv, hat bislang fünf Alben, ein Live-Album und zahlreiche EPs veröffentlicht. Aktuell bestehen Future of the Left nach einigen Jahren als vierköpfige Gruppe aus den beiden Gründungsmitgliedern Falkous und Egglestone sowie der Bassistin Julia Ruzicka.
Zwei Jahre nach dem Debut Curses! aus dem Jahr 2007 folgte das Album Travels with Myself and Another. Es ist namensgleich mit einem autobiografischen Buch der Kriegsreporterin Martha Gellhorn, in dem sie Höhe- und Tiefpunkte diverser Reisen, die sie teilweise in Begleitung von Ernest Hemingway bestritten hat, nachzeichnet.
Das Album hält, was sein Titel verspricht: Es ist ein Abenteuer. Verzerrte Gitarren und Synthesizer peitschen teils gemeinsam, teils im Wechsel durch zwölf Lieder. An vielen Stellen wirkt Travels with Myself and Another chaotisch, aber tatsächlich ist es perfekt durchkomponiert, gewinnt Dynamik im ständigen Wechsel von Geschwindigkeit und Lautstärke. Dazu trägt Falkous kryptische Geschichten vor, spricht, singt, schreit. Doch bei genauerem Hinhören finden sich inmitten der scheinbar wirren Erzählungen und Halbsätze stets wiederkehrende Themen und Motive. Immer wieder geht es um Religion, oftmals um Materialismus. Dem Albumtitel entsprechend sind die auffallend häufigen militärische Bezüge: Beim eingangs erwähnten Arming Eritrea werden sie schon im Titel offensichtlich, Throwing Bricks at Trains beschreibt die auf Eisenbahnbrücken verlebten Freitagabende von Reginald J. Trottsfield und seinem Lieutenant Brown.
Jedes Lied beleuchtet einen anderen Aspekt der Absurdität menschlicher Existenz. Und das Beste: viele Stellen sind wirklich witzig.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang insbesondere You need Satan more than he needs you, das Lied, dessen Inhalt im Vergleich zu den anderen noch am ehesten fassbar ist. Es schildert Alltag und Zweifel eines Satanisten zwischen Glaubensausübung und familiären Verpflichtungen („Clean up, fetch the goat!“). Mit hämmernden Synthesizer-Klängen unterlegt und getragen von düsterer, unbehaglicher Stimmung ist „Satan“ einer von zahlreichen Höhepunkte des Albums.
Wenn Lapsed Catholics mit ruhigem, verworren monologisiertem Intro und durchzogen von lauten, wütenden Ausbrüchen musikalisch das Eingangslied wieder aufnimmt, bleibt das Gefühl zurück, dass am Ende doch nicht alles gut wird, als würden uns die besungenen nichtpraktizierenden Katholiken zuflüstern, dass es keine Erlösung gibt.
Future of the Left warten auf mit Wut und Satire, Schmerz und Humor, jedes Lied zugleich Pamphlet und – ja, so weit kann man gehen – Kunstwerk.
Travels with Myself and Another bleibt im Gedächtnis, ob man dieses Album mag oder nicht. Selbst Drink Nike, meiner Meinung nach der schwächste zwischen elf noch aufregenderen Songs, ist kraftvoll und beeindruckend. Es ist schwer, etwas Negatives über ein nahezu makelloses Album wie dieses zu sagen. Sicher ist es nichts für jeden Geschmack, vielleicht braucht es einige Zeit, bis man sich mit der meist lärmigen Darbietung von Musik oder der markanten Stimme des Leadsängers anfreundet. Aber letztlich ist dieser Umstand ein weiteres Qualitätsmerkmal von Future of the Left: Sie fordern sich selbst und ihr Publikum dazu heraus, weiterzudenken, sich weiterzuentwickeln, musikalisch wie persönlich – eine steinige Reise, bei der zwar kein Happy End garantiert werden kann, die aber allen Widrigkeiten zum Trotz echte Freude bereitet.
Quellen:
Allmusic (Link)
laut.de (Link)
The New York Times: „Riding Shotgun on Martha Gellhorn’s Brave and Comic Adventures” von Dwight Garner (Artikel über Travels with Myself and Another: A Memoir von Martha Gellhorn)
Bildquelle: Shop von futureoftheleft.net (Link)
Videoquelle: YouTube
Ein Kommentar zu „Future of the Left: Travels with Myself and Another (2009; 4AD)“